Forum

Benachrichtigungen
Alles löschen

Armut

2 Beiträge
2 Benutzer
1 Likes
1,059 Ansichten
Beiträge: 3
Admin
Themenstarter
(@sandra-barczyk)
Mitglied
Beigetreten: Vor 3 Jahren

Armut - Kinderarmut -Altersarmut

 

Laut aktuellen Paritätischen Armutsberichts hat die Armutsquote in Deutschland mit 15,9 Prozent (rechnerisch 13,2 Millionen Menschen) einen neuen traurigen Rekord und den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung erreicht. Die Corona-Krise wird soziale Ungleichheit noch einmal spürbar verschärfen.  Die Bundesregierung hat eine  armutspolitische Verweigerungshaltung eingenommen.

Bei Alleinerziehenden, Arbeitslosen und kinderreichen Familien hat die Armut von 2018 auf 2019 noch einmal zugenommen. Bei der Zusammensetzung der Gruppe erwachsener Armer ist der ganz überwiegende Teil erwerbstätig (33,0 Prozent) oder in Rente (29,6 Prozent).

Armutsgeografisch zerfällt Deutschland dabei in drei Teile:

  • Bayern und Baden-Württemberg 12,1 Prozent.
  • Osten über den Norden bis in den Westen 17,4 Prozent.
  • Ruhrgebiet 21,4 Prozent.

Corona hat jahrelang verharmloste und verdrängte Probleme, von der Wohnraumversorgung einkommensschwacher Haushalte bis hin zur Bildung armer Kinder, ans Licht gezerrt. Erwerbslose stoßen auf ein soziales Sicherungssystem, das bereits vor Corona nicht vor Armut schützte und dessen Schwächen nun noch deutlicher zutage treten. Konkret seien eine bedarfsgerechte Anhebung der Regelsätze in Hartz IV und der Altersgrundsicherung (nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle auf mindestens 644 Euro), die Einführung einer Kindergrundsicherung sowie Reformen von Arbeitslosen- und Rentenversicherung nötig.

Kinderarmut 2020

Nach wie vor überschattet Armut den Alltag von mehr als einem Fünftel aller Kinder in Deutschland. Das sind 21,3 Prozent bzw. 2,8 Mio. Kinder und Jugendliche unter 18. In Ostdeutschland ist sogar jedes vierte Kind von Armut bedroht. Arme Heranwachsende haben nur geringe Chancen auf Bildung, ihnen fehlt es an medizinischer Versorgung,  Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe und Zukunftschancen Insbesondere in den Bereichen Mobilität, Freizeit und soziale Teilhabe sind Familien im SGB II-Bezug teils erheblich unterversorgt.  24 Prozent der Kinder haben keinen internetfähigen PC im Haushalt, 13 Prozent keinen ruhigen Platz zum Lernen. Fast die Hälfte der Kinder wohnt in einer Wohnung, in der nicht ausreichend Zimmer zur Verfügung stehen.

Etwa zwei Drittel der 2,8 Millionen betroffenen Kinder und Jugendlichen haben kaum eine Aussicht auf Besserung ihrer Situation, und zwar mindestens für fünf Jahre. Die Förderung armer Kinder und ihrer Familien sowie unbürokratische Zugänge zu armutsvermeidenden Leistungen gehören auf der Prioritätenliste ganz nach oben.

Altersarmut

Wer in Deutschland arm ist, hat weniger als 917 Euro im Monat. So hoch ist derzeit die so genannte Armutsgefährdungsschwelle. Viele Rentner leben in Deutschland an der Armutsgrenze. Laut Statistischem Bundesamt waren im vergangenen Jahr 14,4 Prozent der über 65-Jährigen arm. Bei den Rentnern sind es sogar 15,6 Prozent. 2006 waren 10,3 Prozent der Rentner von Armut betroffen, heute sind es schon 15,6 Prozent. Das ist eine Steigerung von 51 Prozent. Besonders betroffen von Altersarmut sind Frauen und Witwen. Die Gründe dafür sind laut Ulrich Schneider eindeutig:  Frauen sind schlechter abgesichert, die Witwenrente ist nicht die volle Rente, die der Ehemann bekommen hätte und Frauen werden älter als Männer. Das ist unter anderem ein Grund dafür, dass die Armutsquote bei Rentnerinnen in Westdeutschland höher ist (16,9 Prozent) als bei Rentnerinnen in Ostdeutschland (13,4 Prozent), wo Frauen nach der Geburt für gewöhnlich früher wieder ins Arbeitsleben zurückgekehrt sind. Bei einer Vollzeittätigkeit wäre ein Lohn von 13 bis 14 Euro in der Stunde notwendig, damit man am Ende des Lebens über den Grundsicherungssatz von aktuell 399 Euro kommt.

Berechnungsgrundlage für die Rente und den daraus zu folgernden Mindestlohn ( Beispiel bei 40 erzielten Entgeltpunkten ):

Rentenformel für die Altersrente:

Entgeltpunkte × Zugangsfaktor × aktuellerRentenwert × Rentenartfaktor

Berechnung: 40EP x 1 x 34,19€ x1 = 1367.60 € Monatliche Bruttorente ( abzüglich Krankenkasse und Pflegebeitrag )

Für den Mindestlohn ergibt sich daraus folgendes Szenario:

Jahres brutto 40.551€ = Monats brutto 3.379,25 = bei durchschnittlich 21 Arbeitstagen mit 8 Std ergibt dieses einen Mindestlohn in Höhe von 20,11€ für das Jahr 2020. Da sich daraus ein höherer Grundfreibetrag ergibt, würden weniger Steuern für Arbeitnehmer und Rentner anfallen. Nur bei diesem Szenario ist es möglich zum heutigen Stand nicht in die Grundsicherung zu fallen. Weniger Steuereinnahmen könnten der wahre Grund sein, weshalb unsere Regierung sich nicht für einen gerechten Mindestlohn einsetzt!!!

Forderungen:

  • Grundsicherung für Kinder in prekären Situationen
  • Grundsicherung für Rentner erhöhen
  • Hartz IV abschaffen bzw. Regelsatz 644€, Sanktionsfrei
  • Grundeinkommen für armutsgefährdete Personen min. 1.200€
  • Mindestlohn 20,11€ = entspricht Altersrente netto 1.100€
  • Rentensystem erneuern
  • Reform von Arbeitslosen- und Rentenversicherung
  • Rentenfaktor anheben
  • Bürgergeld
1 Antwort
Beiträge: 4
(@karlmahlstedt)
New Member
Beigetreten: Vor 3 Jahren

Hallo Sandra,

ein wichtiger Beitrag, leider bislang ohne Resonanz. Hoffentlich liegt es nicht an Desinteresse derjenigen, die sich auf dieser Plattform versammeln, denn Armutsbekämpfung sollte unsere Kernkompetenz sein.

Ich füge deinem Beitrag jetzt noch einige Anmerkungen aus sozialpsychologischer Perspektive hinzu: Armut ist eine existenzielle Bedrohung, also macht sie Angst, durchaus realistische Angst.  Ich bringe hier einige Beispiele, sortiert nach „Armutshierarchie“ von „unten nach oben“:

Obdachlose haben Angst vor kalten Nächten, weil sie zum Beispiel in angebotenen Notunterkünften ihren Hund (oft einziger langjähriger Gefährte) draußen lassen müssen; „Hartzer“ haben Angst davor, dass Kühlschrank oder Waschmaschine kaputt gehen, vor der nächsten Mieterhöhung, weil die vom „Amt“ nicht mehr übernommen wird, die „Kostensenkungsaufforderung“ ins Leere geht, weil billigere Wohnungen nicht in Reichweite sind oder ein zusätzlicher Untermieter nicht mehr in die Wohnung passt, so dass die zusätzliche Miete aus dem Regelsatz bezahlt werden muss, so dass am Monatsende nur die „Tafel“ bleibt (falls existent), da kein Geld für den Kauf von Lebensmitteln mehr da ist. Oder sie haben Angst davor, dass das „Amt“ die Weiterbewilligung verbummelt, so dass ein frohlockender Vermieter nach 2 Monaten fristlos kündigen kann, um sodann die Wohnung teurer neu zu vermieten. Billigjobbende Aufstocker haben Angst vor einem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, wenn nach einem Jahr das „Amt“ anhand der immer brav abgegebenen Verdienstbescheinigungen ausrechnet, dass zu viel überwiesen wurde und einige Hunderter oder Tausender zurückzuzahlen sind, die natürlich ausgegeben wurden, da der Regelsatz zu knapp war und jetzt wird der Erstattungsbetrag in Raten gestückelt und mit dem ohnehin zu knappen Regelsatz aufgerechnet . Und wenn der Job noch da ist, können sie ihren kompletten Verdienst gleich ans „Amt“ weiterleiten, zwecks Tilgung vorheriger Schulden. Und Soloselbstständige und Kleinunternehmer haben Angst vor der Pleite und Angst, selbst zum „Hartzer“ zu werden mit den gerade beschriebenen Sorgen. Und selbst noch gut verdienende Mittelständler ahnen, dass ein Absturz unverhofft kommen kann und dann das „Amt“ keinesfalls die komplette Miete ihrer überteuerten Wohnungen übernehmen würde. Und Corona verschärft dies alles noch.

Fazit: Angst, Angst, Angst!! Sie hat sich längst bis in die obere Mittelschicht gefressen und selbst Reiche haben Angst vor dem nächsten Börsencrash oder dass der Euro kollabiert (und kaufen panisch schon überteuerte Immobilien um „ihr Geld in Sicherheit zu bringen“).

Und was macht Angst mit Menschen?? „Essen Seele auf“ (Fassbinder) ist wohl die bis heute zutreffendste Antwort. Die Erscheinungsformen sind vielfältig, neoliberale Individualisierung auch hier: Depressionen (manchmal suizidal), psychosomatische Störungen (Schlafstörungen, Essstörungen usw.) oder auch die Umwandlung der Angst in nach außen gerichtete Aggression, was vielleicht noch die gesündeste Reaktion ist (allerdings oft aus anderen Gründen problematisch, Hass im Netz usw.). Und auf dieser Ebene stellt sich für viele Aggressive die berechtigte Frage: Gibt es einen gesellschaftlichen Ausweg?

 

Dass Merkels „Weiter so“ keine Hoffnung spendet, ist logisch. Das steht für einen langandauernden Sinkflug nach unten, der jederzeit in einen Absturz übergehen kann. Aber es gibt ja Alternativen, je nach Sozialisation: eine ethnisch gesäuberte solidarische Volksgemeinschaft, den islamistischen Gottesstaat und neuerdings, seit Corona, die Entsorgung der „Eliten“ (Gates, Soros und Konsorten) und die Zerschlagung ihrer Verschwörungsnetzwerke und alles wird gut. Eine „Utopie“ die derzeit überraschende Koalitionen stiftet.  Nur die gesellschaftliche Linke hat nix im Angebot, kann also auch logischerweise niemand rekrutieren.

 

Unser Gegenkonzept müsste sein: Kampf um ein ANGSTFREIES LEBEN, jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht. Dazu muss man ARMUT BESEITIGEN, um die Menschen von materiellen Sorgen zu befreien. Dass macht erst  den Kopf frei um in aller Gelassenheit über zukünftige gesellschaftliche Selbstorganisation nachzudenken, solidarisch, da Konkurrenz jetzt entbehrlich. Du machst dazu oben allerhand brauchbare Vorschläge: ich würde einige von ihnen gerne bündeln in eine Forderung nach einem auskömmlichen bedingungslosen Grundeinkommen. Wenn Erwerbsarbeit von der Pflicht zur Kür wird, hat man eine weit bessere Verhandlungsmacht (was staatlich festzusetzende Mindestlöhne allerdings nicht überflüssig macht).

 

Und als allerersten Schritt zunächst: Kampf gegen die durch Corona provozierte Armut. Ich selbst gehörte in Berlin einer Arbeitsgruppe an, die hierzu ein Konzept erarbeitet hat, dass hoffentlich bei der nächsten Vernetzungskonferenz vorgelegt wird (ich selbst werde allerdings nicht dabei sein). Es läuft unter dem Arbeitstitel „Petition“, soll aber vielmehr sein als eine Petition.  

    

 

 

 

 

Antwort