Wenn wir wirklich für Mehrheiten in Deutschland eintreten möchten und ihre Lebensbedingungen verbessern möchten, dann sollten wir zunächst nach sozialen und gemeinwohlorientierten Alternativen im Kapitalismus suchen. Und die gibt es, darüber lohnt es sich, zu diskutieren.
Solche Alternativen sind schneller erreichbar, als mögliche Alternativen jenseits des Kapitalismus. Die politische Resonanz für
Wenn wir für 70 Prozent der Menschen in unserem Land etwas tun wollen und sie in unserem Bestreben die politischen Verhältnisse zu ändern mitnehmen wollen, dann müssen wir uns nur auf den Weg nach „Santiago de Compostela“ machen: denn, wie Peter F. so richtig sagt, die Botschaft von uns kann nur lauten: „der Weg ist das Ziel“. Auf dem Weg in eine gerechtere, demokratischere, freiere Gesellschaft mit einer sozial-ökologischen Ökonomie gesellt sich die Mehrheit unserer Mitbürger nicht zu uns, wenn wir Ihnen mit der Vorstellung begegnen, dass in unserer Gesellschaft Veränderungen für sie im „Hier und Heute“ nicht möglich sind. Nur mit konkreten Forderungen, so wie sie Sandra formuliert, wirken wir überzeugend: Armut bekämpfen, höhere Löhne fordern, Grundsicherung und Alternative Wirtschaftsformen entwickeln, Rekommunalisierung von Strom, Gas, Wasser, Wohnen vorantreiben und das Gesundheitssystem in die öffentliche Hand überführen , etc.! Die Vorstellung, dass erst der Kapitalismus geschwächt oder abgeschafft werden muss, überzeugt nur eine verschwindende Minderheit. Nicht mit einem „Gegen“ sondern nur einem „FÜR“ ist ein Neustart für aufstehen möglich!
Ein Hallo an dich, DieterDoc!
Wir wollen gemeinsam eine "gerechtere, demokratischere, freiere Gesellschaft mit einer sozial-ökologischen Ökonomie"! Und wir wollen sie lieber heute als morgen! Und alle Aktivitäten sind darauf gerichtet, tagtäglich Verbesserungen der sozialen Lage durchzusetzen, in den Lohnkämpfen der ErzieherInnen und Beschäftigten im Gesundheitswesen, beim Widerstand gegen Zwangsräumungen und den Wahlen zu den Mieterbeiräten und darüber hinaus für mehr Demokratie und Gerechtigkeit bei den Mahnwachen für Assange und Demonstrationen von Friday for Future.
Aber wir wissen auch, dass die Missstände in unserer Gesellschaft System haben! Sie sind nicht neu und wir setzen uns schon unser ganzes Leben damit auseinander, wir haben Erfahrungen gesammelt mit Politik, Versprechungen und Unterdrückung demokratischer Willensbildung, Niederlagen eingesteckt und manche Erfolge unseres hartnäckigen Bemühen um diese "gerechtere, demokratischere, freiere Gesellschaft" erreicht.
Aus diesen Erfahrungen und mehr oder weniger langjährigen gemeinsamen Kämpfen haben wir auch Erkenntnisse gewonnen, wiederkehrende Schlüsse gezogen und Ursachen für die Missstände erarbeitet - oft auch unterschiedliche, widersprechende, aber auch übereinstimmende.
aufstehen ist eine Sammelbewegung! Eine Schlussfolgerung aus unseren Erfahrung ist, dass nur gemeinsam soziale Interessen durchgesetzt werden können, dass dafür ein gemeinsamer Nenner als Grundlage für den gemeinsamen Kampf nötig ist.
Manche machen hauptsächlich die Politik für die heutige Lage verantwortlich, wieder andere sehen einen äußeren Feind als das Hauptproblem an. Viele MitstreiterInnen bei aufstehen sehen die Ursachen für soziale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung, mangelnde demokratische Einflussmöglichkeiten und für Kriegsgefahr im Kapitalismus, im Privateigentum an Produktionsmitteln und in staatlicher Politik für eine Minderheit von Reichen.
Dazwischen gibt es viele Grautöne und Übereinstimmungen, aber auch Differenzen - und die Chance auf gemeinsame Ziele und Schritte dorthin.
DieterDoc, deine Annahme, dass es MitstreiterInnen gibt, die jegliche Verbesserung für die Lebenden im Hier und Jetzt für unmöglich halten, ist erstaunlich, aber nicht neu! Wo steht geschrieben, das "erst der Kapitalismus geschwächt oder abgeschafft werden muss", bevor soziale Forderungen durchgesetzt werden können. Die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen jeden Tag zeigen unübersehbar das Gegenteil. Gleichzeit! Gleichzeit sowohl Verbesserungen der sozialen Verhältnisse und Schritte hin zur Beseitigung von Ursachen!
Natürlich frage ich mich, warum immer wieder ein solcher Gegensatz aufgebaut wird? Eine Annahme, deren Absurdität argumentativ widerlegt wird, aber eigentlich jeder Grundlage entbehrt. Da macht man sich das Leben doch unnötig schwer!
Natürlich - ein Schelm, der Böses dabei denkt - könnte auch eine Absicht dahinter stecken, eine irrtümliche Annahme zum Ausgangspunkt für eine Gegenargumentation zu machen. Denn eine gewollte Konsequenz aus einer solchen Argumentation könnte schließlich sein, eine notwendige Überwindung des Kapitalismus aus dem Blick zu drängen und auf den Sankt Nimmerleinstag zu verbannen.
Meines Erachtens sollte aufstehen als linke Sammlungsbewegung auch für die Beseitigung der Ursachen für die Missstände eintreten. Darüber gibt es sicher heute keine einheitliche Meinung. Aber mit falschen Annahmen Scheingefechte zu führen, statt gemeinsam an den tatsächlichen Differenzen über die Ziele und Schritte dorthin zu arbeiten, ist überflüssig.
Jede soziale Verbesserung muss den Kapitalisten abgerungen werden, jede Durchsetzung einer Lohnerhöhung mindert den Profit der Unternehmen und ist somit eine Schwächung für den Konkurrenzkampf auf den Märkten dieser Welt, ein Mietendeckel mindert für BlackRock seine Möglichkeiten, Einfluss auf die Politik zu nehmen. Diese Schwächung sollten wir gut finden!
Und wenn es uns gelingt, Teile der Grundversorgung der Menschen dem Markt zu entziehen und öffentlicher Daseinsvorsorge zuzuführen, ist es ein Schritt hin zu einer anderen Wirtschaft, einer, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist und nicht dem Kapital!
Hans Jürgen #spandau
Alternativen im Kapitalismus suchen – Die MMT
Es tut sehr gut, zu lesen, dass Du, lieber Hans Jürgen aus Spandau auch für eine "gerechtere, demokratischere, freiere Gesellschaft mit einer sozial-ökologischen Ökonomie" eintreten willst. Und das lieber heute als morgen! Und dass alle Deine Aktivitäten darauf gerichtet sind, tagtäglich Verbesserungen der sozialen Lage von Bedürftigen durchzusetzen.
In diesem Kampf sind wir tatsächlich Partner in unserer Aufstehen-Bewegung!
Zur realen Umsetzung und Gestaltung des Protestes gehört aus meiner Sicht die Beantwortung von drei Fragen:
- wer gehört in unsere gemeinsame Zielgruppe, für deren Verbesserung wir in unserer Aufstehen-Bewegung eintreten wollen und deren Unterstützung wir auch brauchen?
- welche Ziele wollen wir für unsere Zielgruppe formulieren, die auch für Alle Mitglieder der Zielgruppe attraktiv sind?
- gibt es sachliche und ökonomische Möglichkeiten innerhalb der kapitalistischen Ökonomie, diese Ziele auch mit demokratischen Mitteln durchzusetzen?
Zur Beantwortung der ersten Frage schlage ich vor, dass Aufstehen für die Verbesserung der Einkommenssituation der unteren 50 % der Einkommensbezieher in Deutschland eintritt. Das bedeutet, für die ökonomische Situation von 50% der Menschen in Deutschland, die weniger als 1.870,- Euro netto im Monat erhalten, denn so groß war das Medianeinkommen in 2016 in der Bundesrepublik Deutschland /1/
Zur Beantwortung der zweiten Frage schlage ich vor, dass wir von mindestens den folgenden Zielsetzungen ausgehen:
- niemand in unserem Land soll zukünftig über weniger als 1.200, -Euro monatlich verfügen dürfen;
- die vorhandenen Löhne, Gehälter und Renten unserer Zielgruppe sollen adäquat um mindestens 20% (oberer Bereich) bis 40% (unterer Bereich) steigen;
- die zu zahlenden Steuern unserer Zielgruppe sollen um mindestens 20% sinken;
Zur Beantwortung der dritten Frage bin ich überzeugt, dass die kapitalistische Ökonomie es ermöglicht, alle genannten Ziele mit demokratischen Mitteln durchzusetzen. Dazu braucht es dringend eine Änderung der seit 40 Jahren in Westeuropa bestehenden marktradikalen neoliberalen kapitalistischen Spielart in eine mehr auf Gemeinwohl und Vollbeschäftigung tendierende Spielart, zum Beispiel die des Postkeynesianismus /2/ oder der Modern Monetary Theory (MMT) /3/.
Aus der Sicht vieler kluger Leute könnte mit diesen Modellen der Staat, demokratisch geführt, in wenigen Jahren zum Gemeinwohlinvestor werden, dem Einzigen, den es gibt. Der Staat kann und muss mit seinem, von ihm emittierten Geld Investitionen tätigen, die (zunächst) keinen Gewinn abwerfen, aber für das Gemeinwohl wichtig sind. Dazu gehört das gut ausgebaute Gesundheitssystem, was heute privat geführt eben nicht gut ausgebaut ist. Dazu gehören auch Bildung, öffentliche Verkehrsmittel, der Ausbau bezahlbaren Wohnraumes, die Förderung des wissenschaftlichen Fortschritts und der nachhaltige, sozial begründete, ökologische Umbau der Wirtschaft /4/.
Sollten das nicht die Ziele werden, um die sich im sozialen Interesse der Mehrheiten unsere Bewegung kümmern sollte? Können wir uns darauf einigen, lieber
Hans Jürgen aus Spandau?
Literatur:
/2/ https://de.wikipedia.org/wiki/Postkeynesianismus
/4/ https://makroskop.eu/den-gemeinwohl-investor-wecken/
Was ist die kapitalistische Ökonomie und existieren Spielarten, in denen die Ziele von aufstehen auf demokratischem Weg erreicht werden können?
Eine freundliche Replik auf Hans Jürgen aus Spandau:
Hans Jürgen aus Spandau hat zu dieser Frage eine andere Auffassung als die von mir dargestellte, vertreten. Das ist sein gutes Recht und das soll dieses Forum ausmachen, nämlich sich auseinander zu setzen und zu neuen Erkenntnissen mit hoffentlich neuen Vorteilen für unsere Aufstehen-Bewegung zu kommen.
Zur Frage nach der kapitalistischen Ökonomie sollten wir eine übereinstimmende Meinung haben. Laut /1/ wird sie definiert:
„Allgemein wird unter Kapitalismus eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verstanden, die auf Privateigentum an den Produktionsmitteln und einer Steuerung von Produktion und Konsumüber den Markt (Marktwirtschaft) beruht.“
Die Spielarten oder auch verschiedenen kapitalistischen Wirtschaftsmodelle sind nach /2/ sehr zahlreich und immer wieder kommen neue hinzu. Im Ergebnis können wir schlussfolgern, dass es den einen Kapitalismus in der Welt nicht gibt.
Und nur um zu zeigen, dass es möglich ist, im Kapitalismus auch verschiedene Formen der Primärverteilung, also der Einkommensverteilung direkt aus dem Produktionsprozess /3/ zu realisieren, sei das Beispiel Schweiz genannt. Die Schweiz hatte 1992 noch ein mit der alten Bundesrepublik Deutschland vergleichbares Primäreinkommen. Heute sind das Primäreinkommen und davon abgeleitet die Renten in der Schweiz bis zu 40% höher als in der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Zusammenhang ist es sicher interessant, zu erwähnen, dass die Schweiz ein sehr wirksames System der direkten Demokratie eingeführt hat, wesentlich weiter und wirksamer, als die Bundesrepublik.
Der „Gegner“, lieber Hans Jürgen, ist also nicht das Unternehmen oder die große Wohnungsbaugesellschaft, sondern das bei uns herrschende neoliberale Wirtschaftssystem, welches in ein weniger marktradikales und mehr sozial orientiertes geändert werden muss.
Zur zweiten Frage, was für uns demokratische Mittel sind und ob sie für uns zugänglich sind:
Unsere demokratischen Mittel ergeben sich aus der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und sind im Einzelnen hier /4/ nachzulesen. Auftretender Missbrauch und existierende Mängel ändern nichts an ihrem hohen Gut, mit Mehrheiten demokratisch Änderungen herbeiführen zu können.
Es ist also sehr wohl möglich, innerhalb der kapitalistischen Ökonomie Wirtschaftsmodelle zu finden und demokratisch durchzusetzen, die wesentlich besser die sozialen Anforderungen der Mehrheit der Bevölkerung erfüllen. Ich schlage das Wirtschaftsmodell des Postkeynesianismus als das für unsere Aufstehen-Ziele beste Modell vor. Die MMT ist dessen moderne Fassung.
Hans Jürgen definiert die Erfüllbarkeit der von mir aufgemachten Forderungen mit dem gesellschaftlichen Reichtum und meint damit die Gesamtheit von privatem Besitz. Das ist zunächst nicht zielführend, denn für die erforderliche Veränderung der Primärverteilung ist die Produktion und damit die jährliche Erzeugung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wesentlich. Und explizit nicht die privaten Vermögen der Besitzenden.
Es geht also darum, unsere Aufstehen-Zielgruppe davon zu überzeugen, dass sie sehr schnell mit 20 bis 40% mehr Lohn und Renten rechnen können, wenn wir als Mehrheit eine neue Form der Primärverteilung im Produktions- und Reproduktionsprozess durchsetzen. Beispielsweise wie in der Schweiz, oder noch besser auf der Basis der MMT, denn dann wäre nicht nur der Niedriglohnsektor, sondern auch die Arbeitslosigkeit verschwindend gering.
Dazu brauchen wir den Staat, den wir nicht als Feind, sondern als unseren mächtigen Gemeinwohlinvestor verstehen müssen und dem wir mit demokratischen Mehrheiten sagen müssen, dass wir genau diese Änderungen haben wollen.
Und dazu brauchen wir sehr viele gebildete und kluge Menschen, die sich der Sache von den Zielen von Aufstehen verpflichtet fühlen und die sich demokratisch mit uns dafür einsetzen.
/2/ https://de.wikipedia.org/wiki/Kapitalismusmodelle
/4/ https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/pocket-politik/16414/freiheitliche-demokratische-grundordnung